Sind wir tatsächlich wieder beim Klopapierhamstern angekommen?
Ich weiß, es fällt gerade ein wenig schwer auch nur halbwegs optimistisch in die Zukunft zu blicken. Wir alle können uns noch zu gut daran erinnern, wie positiv wir vor zwei Jahren (Anfang 2020) in die Zukunft geblickt haben. Die Jahreszahl hatte irgendetwas rundes, weiches, harmonisches, optimistisches – und dann das!
Vor einem Jahr saßen wir alle zu Hause im harten Lockdown, weil die Politiker unfähig waren rechtzeitig wirksame Massnahmen zu ergreifen – aber in der guten Hoffnung auf die gerade anlaufenden Impfungen. Wir waren fest der Meinung im Sommer käme die große Wende und spätestens zu Weihnachten wäre wieder alles wie früher – und dann das!
Wieder sitzen wir in so einer Art Lockdown. Nur eines ist diesmal wirklich anders. Die Hoffnung und der Glaube daran, dass sich (nach all der Zeit) endlich zeitnah etwas zum Guten ändert, existiert bei den meisten Menschen nicht (mehr). Im Gegenteil: Die Menschen, egal ob Impfgegner oder -befürworter, haben auf gut Deutsch gesagt “die Schnauze voll”.
Vom Virus und seinen immer neuen Varianten ganz allgemein und vom Politikversagen im Besonderen. Wieder wurde der Sommer komplett verschlafen, wurden Corona und Corona-Experten in Wahlkampfzeiten (und danach) einfach ignoriert, gut funktionierende Impfzentren kurz vor der sich längst ankündigenden vierten Welle flächendeckend geschlossen, Freedom-Days großspurig angekündigt und Pandemie-Notlagen ohne Not einfach einkassiert. 60 Milliarden Corona-Hilfen werden großzügig in den Klimaschutz umgeschichtet, während reihenweise kleine Unternehmer aufgeben, weil sie nichts verdienen, wenn die Läden offen sind und keine Unterstützung erhalten, wenn sie schließen. Vom Lüften-und-Luftfilter-Drama in den Schulen ganz zu schweigen.
Und jetzt kommt auch noch Omikron! Selbst zweifach impfen reicht anscheinend gar nicht, Boostern nur zum Teil. Man fragt sich: Wird das denn ewig so weitergehn? Experten geben zwar Hoffnung, wenn sie sagen: Im Sommer wird sich alles bessern und nächstes Weihnachten ist alles wieder wie früher. Aber: Das kommt mir irgendwie bekannt vor!
Doch selbst wenn sich die Coronalage im Frühjahr oder Sommer tatsächlich deutlich und nachhaltig entspannen sollte, bleiben andere Probleme für die weder Impfung noch Lockdown reichen, denn die Coronakrise war und ist ein Beschleuniger für viele Probleme aber absolut nicht deren Ursache. Ohne Corona hätte es vielleicht ein zwei Jahre länger gebraucht bis wir auf die Dramatik einiger Entwicklungen aufmerksam geworden wären aber
sie wären so oder so passiert.
Lieferengpässe
Durch Corona sind schon seit knapp 2 Jahren die weltweiten Produktions- und Lieferketten durcheinander. Die Wirtschaft brach anfangs rapide ein weil alle mit dem schlimmsten zumindest aber einer längeren Durststrecke rechneten. Firmen schlossen zeitweise teilweise, ganz oder gleich für immer. Andere kürzten ihre Bestellungen drastisch. Viele mussten Personal entlassen oder in Kurzarbeit schicken.
Doch es kam anders. Viel schneller als gedacht fingen die Leute wieder an zu kaufen. Es gab sogar einen regelrechten Nachholeffekt. Geld zum Shoppen gab und gibt es mehr als sonst, weil ja an Urlauben, Restaurantbesuchen und ähnlichem zwangsweise gespart werden musste. Dafür boomten Baumärkte und der Onlinehandel. Die Konsumlaune stieg fast über Nacht weil alle dachten es könne schnell wieder aufwärts gehen.
Nur traf diese unerwartete Nachfrage auf einen Markt im Krisenmodus (und ein im Suezkanal feststeckendes Schiff). Viele sorgfältig (und kostensparend) aufeinander abgestimmte Just-in-Time-Lieferketten waren gerissen. Erst wurden Container nicht gebraucht, dann standen sie an der falschen Stelle rum. Die Lager leerten sich und ganze Autofabriken mussten für Monate schließen. Die Öl- und Gasproduktion wurde gedrosselt, weil die Bestellungen der Versorgungsunternehmen in Erwartung einer langen Krise massiv storniert wurden.
Diese schnellen, so nicht vorhergesehenen Entwicklungen haben zu einem ganz besonderem Paradox geführt, welches es im globalisierten Kapitalismus eigentlich nicht mehr geben sollte. Nämlich, dass die Menschen nicht mehr dass kaufen können, was sie sich eigentlich leisten könnten.
Gemeinhin geht man davon aus, dass jede Nachfrage (zumindest nach einer kurzen Anpassung der Produktion) auch zeitnah befriedigt werden kann. Aktuell aber ist es so, dass viele Produkte und vor allem auch Dienstleistungen nicht oder nur sehr verspätet verfügbar sind. Handwerker muss man Monate im Voraus beauftragen und wenn der Termin da ist, fehlt es an Bauholz oder anderen Materialien. Auf manche Automodelle muss man ein Jahr und länger warten. Das ist fast schon DDR! Die Öl- und vor allem die Gaspreise sind stark gestiegen, weil die Lager und der Markt wie leergefegt sind. Demnächst sollen auch Papier und andere Rohstoffe knapp werden. Dann kommt vielleicht tatsächlich die Zeit, wo Klopapierhamstern nicht besonders dämlich sondern besonders vorausschauend ist.
Fachkräftemangel
Fehlende Rohstoffe oder Zulieferteile wie Computerchips sind nur ein Teil der aktuellen Produktions- und Lieferprobleme. Selbst wenn es genug davon gäbe, würde es in einigen Bereichen der Wirtschaft trotzdem zu Engpässen kommen. Ganz einfach: Weil die Fachkräfte fehlen.
Dieses Problem haben mittlerweile nicht nur das Handwerk oder die Pflegebranche. Allein in der IT-Branche fehlen nach aktuellen Zahlen 96.000 Fachkräfte! So wird das nichts mit der jahrzehntelang verschlafenen aber gerade jetzt so dringend und schnell nötigen Digitalisierung.
Nicht nur die großen Unternehmen oder staatliche Stellen suchen händeringend nach Programmierern, Administratoren, Projektmanagern oder Social-Media-Experten. Dieser Mangel bremst auch uns kleine Internet-Unternehmer aus. Selbst wenn wir wollten, viele Projekte können nicht angepackt werden, weil niemand uns hilft unsere Ideen in die Tat umzusetzen. Schon seit Jahren höre ich in meinen Gesprächen mit Kunden immer wieder:”Ich würde ja gerne etwas machen, weiß aber selbst nicht wie und finde auch niemanden, der es für mich machen könnte.”
Von 851 befragten Unternehmen erwarten 66 Prozent, dass sich der Fachkräftemangel im IT-Bereich noch weiter verschärfen wird. (Daten: Bitkom-Presseinfo 03.01.22) Das Problem wird sich auch nicht “über Nacht” lösen lassen, denn die Aus- und Weiterbildung einer solch großen Zahl an Spezialisten wird, selbst wenn man sofort damit anfangen würde, Jahre dauern.
In der Corona-Krise haben auch viele Firmen notgedrungen ihr Personal reduziert. Jetzt aber, wo die Menschen wieder benötigt werden, sind sie nicht mehr da, weil viele die Not der Stunde genutzt und sich umorientiert haben. Entweder haben sie sich, spätestens nach dem zweiten Lockdown, krisensichere Jobs gesucht, denn wer will schon dauernd von heute auf morgen den Job los werden! Manche haben sich gleich ganz in den Vorruhestand oder, wenn möglich, in die Selbstständigkeit verabschiedet. Wer einmal erlebt hat, wie gut Home-Office funktionieren kann, hat sich vielleicht gefragt, warum er jeden Tag wieder in irgendein anonym-steriles Großraumbüro pendeln sollte nur um zusammen mit vielen anderen mal mehr oder meist weniger motivierten Kollegen für jemand anderes zu schuften.
So, genug Negatives! Im nächsten Teil geht es nur um Positives. Versprochen!
Unter anderem werde ich Ihnen von einer Studie der Universität Stockholm berichten, die zeigt, wie man es schafft, seine Neujahrsvorsätze auch erfolgreich umzusetzen.